14 - Emma ist gefangen im eigenen Netz
Eines Morgens betrachtete ich mich im Spiegel und erschrak:
Ein mattes, energieloses Gesicht mit traurigen, leeren Augen blickte mir
entgegen… Ich hatte mich schon lange nicht mehr bewusst angeschaut als ob ich diesen
Anblick vermeiden wollte. So waren meine Begegnungen mit dem Spiegel mit der
Zeit rational ausgerichtet: Meine morgendliche und abendliche Toilette wurde
von mechanischen Handgriffen beherrscht und aufs Nötigste reduziert… Ich
fürchtete mich davor mein wahres Gesicht zu entdecken, das sich hinter einer
sorgfältig präparierten Maske verbarg. Und doch wusste ich genau, dass sich ein
anderes Gesicht darunter verbarg, weshalb sonst hätte ich mir so viel Mühe
gemacht mich von meiner selbst angeeigneten Blindheit irrezuführen?
Ich hatte keine Kraft mehr mir selber etwas vorzuspielen und
mich so zu sehen, wie ich es gerne hätte… Ich wollte nicht mehr ignoriert
werden und musste den ersten Schritt wagen: Mich selber wahrnehmen! Nun stand
ich meiner nackten Seele gegenüber und war über ihre ausgetrocknete Wirkung
bestürzt. Die Gedanken schossen wie Blitze durch meinen Kopf… mir wurde
bewusst, dass die Mattigkeit und Energielosigkeit, die sich in meinem
Gesichtsausdruck wiederspiegelten, sich bereits wie eine schleichende Krankheit
auf meinem ganzen Körper und Willen verbreitet hatten... Ich realisierte auch,
dass je länger ich meinen Zustand ignorieren würde, er sich umso mehr
verschlechtern und meine ganze Energie der Manipulation zum Opfer fallen würde…
Die schmerzlichen Gedanken liessen das Wasser in meine Augen
ansteigen. Tief in meinem Herzen, wenn ich aufrichtig mit mir selber war,
fühlte ich genau, was mit mir los war… Anstatt an der schmerzlichen Situation
etwas zu ändern hatte ich meine ganze Kraft darauf verwendet mich selber zu
manipulieren um immer wieder einen Grund zu finden keine Veränderung vornehmen
zu müssen! Ich wartete auf eine Regelung von aussen und glaubte fest an das
Schicksal, hatte aber die Chancen, die sich mir geboten hatten, kaum genutzt...
Klar, am liebsten wäre ich einfach weggelaufen und hätte alles über den Haufen
geworfen, aber das fand ich zu einfach und feige und zudem hatte ich doch die
Verantwortung für meine kleine Tochter - so kam es als Lösung für mich
überhaupt nicht in Frage!
Und jetzt stand ich da und fühlte mich leer und ausgebrannt…
meine Seele, mein Geist und mein Körper schrien nach Hilfe! - Wie konnte ich
mir nur selber helfen? Dicke, grosse Tränen ergossen sich über meine Wangen und
versiegten am Hals. Ich konnte es nicht fassen, dass ich, die von Grund auf
optimistisch und praktisch veranlagt war, hilflos vor dem Spiegel stand und
mich in Selbstmitleid zu flüchten versuchte… Die vergangenen Ereignisse
wachzurufen und zu bedauern macht doch alles nur noch schlimmer!?
Mir wurde bewusst, welchen Raubbau ich an meiner Seele
trieb… - So konnte es nicht weitergehen! Ich wischte das Gesicht und den Hals
mit meinen Handflächen trocken. Ich durfte einfach nicht mehr darüber
hinwegsehen, dass die vor mir liegenden Jahre entscheidend in meiner Hand
lagen.
Anstatt meinen Bedürfnissen und Gefühlen Beachtung zu
schenken, baute ich eine Fassade aus Verstand und Vernunft auf. Doch der zu
lange zurückgedrängte Schmerz war zu gross und ohne es zu wollen kehrte ich
immer wieder zu diesen schmerzlichen Gedanken zurück... Ich wollte doch nur
wahrgenommen, geliebt und verstanden werden! War das wirklich zu viel verlangt?
– Das glaubte ich jedenfalls mit der Zeit selber... Doch genau jetzt wäre doch
mein messerscharfer Verstand richtig am Platz gewesen um meine Selbstzweifel
aus dem Feld zu räumen!? – Nein, ich war nicht ehrlich mit mir selber gewesen
und glaubte fest daran, dass Dinge sich ändern konnten, wenn ich nur richtig
wollte... und mein Wille war stark, stärker als mein gesunder Menschenverstand…
Würde das Verstehen der Situation etwas daran ändern können?
Aufrichtig mit mir selber zu sein und Dinge so zu sehen, wie sie sind, nicht
wie ich sie mir wünsche, konnte doch ein Anfang sein?! - Mein Leben entpuppte
sich als Illusion… und doch gab es diesen Traum, ganz tief in meinem Innern, an
den ich glaubte und der keine abrupte Veränderung zuliess… Ich tröstete mich
mit der Zukunftsperspektive, dass der Glaube an das Gute sich behaupten wird
und dass Schmerzliches in jedem Leben Platz findet! Aber genau dieser Schmerz
war mein Hindernis... er kehrte immer wieder zurück und war nicht auszulöschen…
je länger ich mich davor drückte dieses Hindernis zu nehmen, desto grösser und
unbezwingbarer wurde es! Es war ein verteufelter Kreislauf!
Ich wusste genau, dass nur ich selber für mich und meine
Situation verantwortlich war… ich liess es ja selber zu! – Aber welche Macht
herrschte über mich? War ich zu naiv? Zu sensibel? Zu stur? War ich gar
masochistisch? Oder selbstaufopfernd? Wie hatte alles nur begonnen und wie
konnte es nur so weit kommen? – Ich war gefangen in meinem eigenen Netz!
PS: Daniela Schwendner, danke fürs Korrekturlesen!
14 - Emma is caught in her
own trap
One morning
I looked in the mirror and was terrified: A weak and lacklustre face with sad
and empty eyes looked back at me... I hadn’t looked at myself deliberately for
a long time as if I wanted to avoid this sight. I reduced my toilet to the bare
necessities... I was afraid of discovering my real face behind my carefully
well-prepared mask. And yet I knew that certainly there was another face
hiding, why else would I have applied such a lot of effort to deceive myself?
I had no
strength anymore to fool myself and to see me the way I would have liked me...
I didn’t want to be ignored anymore and had to risk the first move: understanding
myself! Now facing my naked soul I was dismayed by its dried-out force.
Thoughts flashed like lightning through my mind... it dawned upon me that the
shiftlessness and deadness which were reflected on my countenance had already
spread over my whole body and will like an insidious disease... I also realized
that the longer I ignore my condition the more it would decline and my whole
energy would fall victim to manipulation...
The hurtful
thoughts brought tears to my eyes. In my heart of hearts, if I was honest to myself,
I felt exactly what was wrong with me... Instead of changing the painful
situation I had devoted my whole energy into manipulating myself into finding an
excuse to not change anything again and again! I was waiting for a indication
from outside and firmly believed in destiny, but scarcely had taken the chances
which were offered to me... Sure, right now I just wanted to run away and upset
the apple cart, but this was too simplistic and cowardly and besides I carried
the responsibility for my little daughter – thus such a solution was out of the
question!
And now I
stood here and felt empty and burnt out... my soul, my mind and my body cried
out for help! – How on earth could I help myself? Big heavy tears rolled down
my cheeks and dried up on my throat. I couldn’t believe that I, who was fundamentally
optimistic and down-to-earth, now stood helplessly in front of the mirror and
tried to seek refuge in self-pity... Awakening and regretting past events just
adds insult to injury, doesn’t it?!
I realized
that I was overexploiting my soul... – It couldn’t go on like that! With my
palms I wiped away the tears off my face and throat. I had to recognize that
the forthcoming years lay crucially in my own hands.
Instead of taking note of my needs and feelings, I built up a façade out of reasoning and rationality. But the pain which was pushed back too long was far too big and without meaning to I returned to those hurtful thoughts time and again… All I wanted was to be noticed, loved and understood! Did I really ask for too much? - Indeed in the course of time I believed so myself... However, shouldn’t my clear thought process have helped me right now to sweep my self-doubts out of the way?! – No, I wasn’t honest with myself and firmly believed that things could change if only I insisted... and my will was strong, stronger than my common sense...
Would it help if I
understood the situation? To be honest with myself and see things as they are,
not the way I want them to be, could be a good start!? – My life turned out to
be an illusion... and yet in my heart of hearts there was this dream I believed
in and which wouldn’t allow an abrupt change... I consoled myself with the outlook
that belief in the good would hold its own and that there was bitter suffering
in each and every life! But exactly this bitter suffering was my barrier… it returned
again and again and could not be extinguished... the longer I ducked to break
though the obstacle the bigger and more invincible it became! It was a vicious
circuit!
I was aware of the fact
that I myself was responsible for my situation... since I admitted it myself! –
But what power dominated over me? Was I too naive? Too oversensitive? Too
stubborn? Was I even masochistic? Or self-sacrificing? How did all start and
why did it have to come to that? – I was caught in my own trap!
PS: Sharon Christie, thanks for helping me not getting lost in translation!
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